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redaktion / 28.03.2017

Comfort food

Unwiderstehliches Essen für Leib und Seele

Schule des Geschmacks - Teil 18 

Die Amerikaner haben einen eigenen Begriff für Essen, das den Geschmack der Masse trifft, angeblich glücklich macht und das vor allem weich und fettig sein muss: Sie nennen es „Comfort food“. Die Bezeichnung stammt angeblich von niemand Geringerem als Oscar Wilde höchstpersönlich, der einst gesagt haben soll: „When I’m in trouble, eating is the only  thing that comforts me!“ 

Toc' in Braide - Comfort food

Comfort food ist Nahrung für Leib und Seele, die uns glücklich und zufrieden macht, Trost spendet, von innen heraus den Körper wärmt – und dazu auch noch Kindheitserinnerungen wecken kann. Comfort food sollte bevorzugt hausgemacht sein. Auf jeden Fall aber muss es so weich sein, dass man es kaum zu kauen braucht. 

Auch wenn die Amerikaner Comfort food perfektioniert haben, so gibt es derartige Speisen auf der ganzen Welt – sie alle vereint die Tatsache, dass sie nicht unbedingt als gesund gelten, denn sie haben viele Kalorien, sind sehr sättigend, sehr süß oder sehr scharf und nicht wirklich das, was man allgemein als „ausgewogen“ bezeichnet. Aber diese Speisen schmecken fast jedem, wenn auch jeder von uns sein persönliches Comfort food hat. Diese Tatsachen nützt die Werbeindustrie und es ist daher keineswegs nur ein Slogan, sondern Fakt, wenn eine große Fastfood-Kette mit dem Slogan wirbt: „Essen, das allen schmeckt!“ 

Auf den ersten Blick könnte man schlussfolgern, dass Comfort food eine schmeichelhaftere Titulierung für Fastfood oder gar Junkfood sein könnte, doch dem ist nicht so. Denn Gerichte, die zum Comfort food  gerechnet werden, gibt es schon seit jeher. Und wenn man so will, ist das erste Comfort food unseres Lebens die Muttermilch, denn diese in Verbindung mit dem liebevollen Körperkontakt mit der Mutter vermittelt uns das Gefühl, umsorgt und geborgen zu sein. Nicht umsonst ist das berühmte Glas warme Milch (eventuell mit etwas Honig gesüßt) mit Keksen nach wie vor einer der beliebtesten Trostspender – nicht nur für Kinder. Dabei muss die Milch unbedingt warm (lauwarm) sein, denn nur so simuliert sie die Muttermilch. Ähnlich funktionieren auch viele alpenländische Gerichte, bei denen z. B. altbackene Krapfen in warme Milch eingebrockt werden und so eine nahrhafte und kraftspendende Suppe ergeben. 

Überhaupt sind dicke Suppen und Eintöpfe aller Art – neben Milch und Backwaren – das älteste Comfort food der Menschheit. Noch heute gelten deftige Eintöpfe als beruhigende, befriedigende, sättigende und die Seele besänftigende Nahrungsmittel. Dabei fällt der Anteil leichter und gesunder Gemüse in diesen Eintöpfen eher geringer aus und die kohlenhydrathaltigen Bestandteile (z. B. Erdäpfel, Rüben, Kraut, Getreide etc.) überwiegen. Weiters werden diese Eintöpfe mit reichlich Öl, Schmalz oder Butter zubereitet. Klassische Eintöpfe, die das Idealbild von Comfort food verdeutlichen, sind z. B. das Kärntner Ritschert (mit den Hauptbestandteilen Bohnen und Rollgerste) oder die noch sämigere und cremigere Orzofagioli der Friulaner (wie das Ritschert aus Rollgerste und Bohnen zubereitet), das weltberühmte Chili con Carne (im mexikanischen Original ein deftiger Eintopf aus Chilischoten und fettem Rindfleisch) oder auch das allseits beliebte Erdäpfelgulasch mit Wursteinlage, um einige bekannte Beispiele zu nennen. 

Allen diesen Gerichten ist eines gemeinsam: die geschmackliche Kombination von „süß“ (meist durch erhöhten Kohlenhydrateanteil) und „fett“ mit der weiteren Kombination von „warm“ und „weich“. Vor allem die Kombination von Fett und Süße ist hierbei geschmacklich ausschlaggebend.

Nicht nur die Industrie, sondern auch verschiedene Regionalküchen greifen in diese Trickkiste, allen voran die böhmischwienerische. Da wären zunächst die süßlichen Salatmarinaden zu nennen oder die in Wien bis heute sehr beliebten Gemüsegerichte, die mit einer Einmach aus Schmalz oder Butter und Mehl gebunden sind. Dadurch weisen sie das beim Comfort food so wesentliche cremige mouthfeeling auf und geben wesentlich mehr her als nur gedünstetes Gemüse (das zwar gesünder ist, dafür aber auch nur nach wenig schmeckt). Damit werden diese Gemüsegerichte einerseits dem wienerischen Geschmack gerecht, der weiche und nur zart gewürzte Speisen mit eher süßlichem Aroma bevorzugt, und sorgen andererseits dafür, dass der Sättigungswert der Speisen stimmt, was insbesondere in karger Vergangenheit ein wesentlicher Faktor war. 

In Wien werden zu eingebranntem Gemüse gerne weich gekochtes Rindfleisch oder faschierte Laibchen gegessen – also Fleischgerichte, bei denen nicht viel zu kauen ist. Fleischlaibchen mit eingebrannten Fisolen und Erdäpfelpüree oder auch gebratene Augsburger mit eingebrannten Erdäpfeln (in Wien auch liebevoll „einbrennter Hund“genannt) sind also nicht nur Speisen, mit denen  Wiener Kinder aufgezogen wurden und werden, sondern letztlich auch nichts anderes als Comfort food im reinsten Verständnis des Wortes. Und was die vornehmlich warmen Mehlspeisen (wie z. B. Topfen- oder Apfelstrudel mit Vanillesauce, Kipferlkoch, Reisauflauf, gefüllte Palatschinken, verschiedene Fruchtknödel oder Kaiserschmarren mit Zwetschkenoder Marillenröster) betrifft, so ist diese für uns traditionelle Heimatküche nichts anderes als „Comfort food“.
 
Gerd Wolfgang Sievers
 
Kochen & Küche 04/2017

 

Zum Rezept: Toc' in braide

 

Zum Rezept für Original Chili con Carne

 

Zum Rezept für Erdäpfelgulasch

 

Zum Rezept für Wiener Apfelstrudel

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